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Stromanbieter wechseln: Die Macht des Kunden über die Energieriesen

Stromwechsel

Stromwechsel ist für die Mehrzahl der Verbraucher (noch) ein Fremdwort. Während sie für geringe Zinsunterschiede ihr Geld ausländischen Banken anvertrauen oder jährlich die Autoversicherung wechseln, ohne sich im Klaren zu sein, was der neue Vertrag wirklich beinhaltet, zahlen sie für ein absolut identisches Produkt freiwillig hunderte Euro mehr als nötig. Was macht den Energiemarkt so besonders, dass der Wettbewerb hier nicht funktioniert? Welche Motivation haben wechselwillige Kunden, was hält die Mehrheit vom Stromwechsel ab? Nachfolgend finden Sie Fakten über den Billigstrom und Tipps für den Wechsel.

Fast 80 % der Kunden sind beim regionalen Versorger

Mehr als 1.100 Stromanbieter mit über 13.000 Tarifen gibt es in Deutschland. Allein schon aus technischen Gründen ist eine intensive Zusammenarbeit unerlässlich, die Leitungsnetze werden vielfach gemeinsam betrieben. Die vier größten überregionalen Versorger, E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall Europe haben den Markt faktisch unter sich aufgeteilt. Werfen wir einen Blick auf die Umsatzzahlen: E.ON ist mit mehr als 100 Mrd. EUR jährlich klarer Marktführer. RWE auf Rang 2 hat schon weniger als die Hälfte. Öko- oder Naturstrom ist dagegen ein Nischenprodukt. Größter Anbieter ist die Hamburger LichtBlick SE, die es auf gerade einmal 0,7 Mrd. EUR Jahresumsatz bringt, damit aber auch insgesamt schon zu den zwanzig größten Stromanbietern in Deutschland gehört.

Die 1996 in der Europäischen Union auf den Weg gebrachte Liberalisierung des Strommarktes wurde bereits zwei Jahre später in deutsches Recht umgesetzt. In rund zwanzig Jahren hat aber nur jeder fünfte Kunde seinem bislang zuständigen Monopolversorger vor Ort den Rücken gekehrt. Immerhin sind rund 45 % aller Stromkunden zwar beim selben Anbieter, aber jetzt mit einem günstigeren Tarif unterwegs. Mit kreativen Angeboten, die unter Produktbezeichnungen wie Heimvorteil vermarktet werden, kommen Stadtwerke ihren Kunden preislich ein wenig entgegen, binden sie aber auch durch lange Vertragslaufzeiten. An einem Drittel der Haushalte ist das Thema Stromwechsel bislang komplett vorbeigegangen. Sie verschlafen mit ihrem Grundversorgungs-Tarif alle Möglichkeiten, auf einfachste Weise Geld zu sparen.

Gründe für und gegen den Wechsel

Befragt man Kunden nach den Gründen, die sie zum Stromwechsel bewegen oder bewegen könnten, ist der Preis nicht das einzige Element. Fast jeder zweite Kunde nennt zusätzlich noch den Wunsch nach Ökostrom oder eine einfache Vertragsverwaltung online. Zur Ehrenrettung der Energieriesen und regionalen Versorger muss man sagen, dass diese in beiden Punkten deutlich nachgelegt haben. Ein Kundenportal mit der Möglichkeit zur Meldung von Zählerständen oder der Anforderung von Zwischenabrechnungen bieten viele etablierte Stromunternehmen. Strom aus regenerativen Energien kann man auch bei den Stadtwerken kaufen, und letztendlich zahlen wir ohnehin alle dafür in Form von Abgaben und Umlagen, die in den Strompreis eingerechnet sind.

Bleibt also der Preis als Hauptgrund für einen Wechsel. Hier geht es zwar nur um ein paar Cent pro Kilowattstunde, aber die summieren sich pro Jahr auf durchschnittlich knapp 200 EUR für Einpersonen-Haushalte und 400 EUR für Familien. Zur Freude der Energieversorger wechseln jährlich weniger als 10 % der Kunden freiwillig, also nicht zum Beispiel wegen eines Umzugs, in ein anderes Versorgungsgebiet. Die hohe Zahl von Verbrauchern, die immer noch beim Regionalversorger sind, legt den Schluss nahe, dass immer dieselben Kunden jährlich nach dem günstigsten Anbieter suchen und Neukunden-Boni abgreifen. Die träge Masse verändert sich zur Freude der Anbieter kaum. Rechnen wir einmal nach: wenn von 40 Millionen Haushalten noch 30 Millionen beim ursprünglichen Vertragspartner geblieben sind und dort zwischen 200 und 400 EUR zu viel zahlen, spült das Jahr für Jahr einen Milliarden-Betrag in die Kassen. Vor dem Hintergrund von Atomausstieg, Energiewende und zusätzlich benötigten Stromtrassen von Nord nach Süd ist diese Einnahmequelle höchst willkommen.

Woran liegt es, dass so viele Kunden freiwillig aus ihrer Haushaltskasse die Energieversorger subventionieren? Der erste und wichtigste Grund heißt schlicht Unkenntnis. Besonders die ansonsten gut informierte junge Generation ist erschreckend ahnungslos, wenn es um Energiepreise und daraus erwachsende Sparpotenziale geht. Jeder Dritte unter Dreißig kennt seinen Strompreis nicht. Zum Vergleich: in der Generation Sechzig plus ist es nur jeder Achte, obwohl dort die Beschäftigung mit Stromrechnern im Internet weit weniger verbreitet ist. Hinzu kommen Unsicherheiten über Probleme beim Wechsel, hinsichtlich der Versorgungssicherheit und der Zuverlässigkeit der Anbieter. Dabei gibt es hier wirklich keinen Grund zur Sorge. Die Bundesnetzagentur wacht seit 2005 darüber, dass alle Anbieter einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Stromnetzen haben.

Klar zum Stromwechsel – die Fakten

Stichwort Kündigungsfristen: Den meist teuersten möglichen Tarif für die Grundversorgung können Sie jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen kündigen. Für andere Tarife gelten längere Laufzeiten, zum Beispiel 6, 12 oder 24 Monate. Kündigen Sie nicht innerhalb einer vereinbarten Frist, verlängert sich der Vertrag automatisch, zum Beispiel um ein weiteres Jahr. Schauen Sie unbedingt in Ihren Vertrag und setzen Sie sich im Kalender einen Termin zwei Wochen vor dem letztmöglichen Kündigungstermin. So haben Sie genügend Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen und gegebenenfalls zu wechseln.

Stromrechner richtig bedienen: Vergleichsportale im Internet leben von Provisionen und Anzeigen. Die Voreinstellungen sind nicht immer verbraucherfreundlich. Meiden Sie Tarife, in denen Sie feste Kontingente kaufen und im Voraus bezahlen müssen. Sie sind nur günstig, wenn Sie einen sehr konstanten Stromverbrauch haben und eines der Pakete diesen genau abdeckt. Nachkäufe sind deutlich teuer. Wird der Anbieter insolvent, ist die Vorauszahlung praktisch verloren. Seien Sie vorsichtig bei Vertragslaufzeiten von mehr als einem Jahr und Kündigungsfristen von mehr als sechs Wochen. Berücksichtigen Sie die Bewertungen der anderen Kunden, die bereist zum gewünschten Anbieter gewechselt haben. So erfahren Sie mehr zu Kundenfreundlichkeit & Co des jeweiligen Versorgers. Achten Sie darauf, ob Stromtarife durch Neukunden-Rabatte subventioniert sind und im zweiten Jahr, nach Wegfall des Rabatts, ansteigen. In diesen Fällen sollten Sie nach Ablauf des ersten Jahres erneut den Anbieter wechseln.

Der Vertragsabschluss: Häufig geht das online direkt aus dem Portal heraus. Sie benötigen Ihre Zählernummer und den letzten Jahresverbrauch – beides finden Sie in Ihrer letzten jährlichen Stromabrechnung. Normalerweise erledigt der neue Vertragspartner alle Formalitäten. Wird es knapp mit der Kündigungsfrist beim alten Anbieter, kündigen Sie vorsichtshalber selbst.

Der Tag des Wechsels: Sie werden vom Stromwechsel nichts merken. Es gibt keine Unterbrechung wie beim Wechsel des Telefon- oder Internetanbieters. Auch der Zähler wird nicht getauscht. Lesen Sie aber den Zählerstand ab, damit es keine Schwierigkeiten bei der Endabrechnung gibt. Dokumentieren Sie den Stand am besten mit einem Foto, dann haben Sie einen Beweis und können Zahlendreher ausschließen. Diesen übermitteln Sie Ihrem bisherigen Versorger, der dann eine Endabrechnung erstellt. Gleichzeitig teilen Sie diesen Zählerstand Ihrem neuen Vertragspartner mit.

Probleme mit dem Netz: Bei Störungen bleibt der regionale Versorger zuständig, egal, wer Ihnen den Strom liefert. Bei einer Insolvenz Ihres Energieunternehmens haben Sie weiterhin Strom, dann allerdings zum teuren Grundtarif, den Sie jedoch jederzeit wieder wechseln können.

Fazit

Ein Stromanbieterwechsel ist deutlich weniger aufwändig als beispielsweise der Wechsel des Mobilfunk- oder DSL-Anbieters. Das Einsparpotential ist sehr hoch und liegt im Vergleich zum Grund- oder Regionalversorger bei nahezu jedem Verbraucher bei mehreren hundert Euro. Zusätzlich locken die Anbieter beim Wechsel mit attraktiven Neukunden-Angeboten. Das Risiko eines Stromausfalls ist quasi nicht gegeben. Mit wenig Aufwand und einer geschickten Anbieterwahl können Wechsler im Bereich Energie jährlich mehrere hundert Euro einsparen.